Für Straßentunnel mit einer Länge von mehr als 400 m schreiben die „Richtlinien für die Ausstattung und den Betrieb von Straßentunneln“ (RABT) eine ständige Überwachung durch ausgebildetes Personal vor. Im Bundesland Hessen wird diese anspruchsvolle Aufgabe durch die Disponenten der Tunnelleitzentrale in Eschwege, im Auftrag von Hessen Mobil durchgeführt. Der geplante Ausbau der hessischen Tunnellandschaft, insbesondere im Zusammenhang mit dem Bau der A44, machte eine Neugestaltung der Überwachungssysteme in der Zentrale notwendig. Der bisherige Ansatz, für jeden Tunnel ein eigenes Softwaresystem für Überwachung und Steuerung einzusetzen, sollte durch eine einzige, tunnelübergreifende Lösung ersetzt werden, mit der letztendlich die Überwachung der über 30 bestehenden und geplanten Tunnelbauwerke möglich sein soll. Die Geburtsstunde von HELiS – Hessen: Einheitliches Leitsystem für Straßentunnel.
Aufgrund der Erfahrungen mit den bestehenden Tunnelüberwachungssystemen wurden von Hessen Mobil zwei grundsätzliche Ziele für die Planung und Erstellung der neuen Lösung festgelegt. Zum einen sollte die Bedienung für das Überwachungspersonal (Operatoren) vereinfacht werden. Zum anderen sollte die Qualität der Softwarekomponenten im Bereich der Tunnelautomatisierung prüfbar und damit sichergestellt werden.
Im ersten Schritt wurde von Hessen Mobil mit einer Gruppe tunnelerfahrener Automatisierungsspezialisten und Softwareexperten der veoTEC ein grundlegender Kommunikationsstandard zwischen der Steuerungsebene (SPS) und der Bedien- und Überwachungsebene erarbeitet. Das Ergebnis war eine Liste mit einer strukturierten Beschreibung der unterschiedlichen Objekte, die in einem Tunnel verbaut werden, die so genannte Datentypliste. Diese Datentypliste beschreibt welche Informationen z. B. das Gewerk „Durchfahrtsbeleuchtung“ an die Steuerungs- und Überwachungsebene übermittelt und welche Befehle an die SPS für die Steuerung des Gewerks weitergegeben werden können. Eine erste Version dieser Datentypliste enthielt 125 unterschiedliche Objekttypen. Insbesondere auf die Wiederverwendbarkeit der festgelegten Datentypen wurde von Hessen Mobil großer Wert gelegt, da diese auch als Basis für alle zukünftige Tunnel Anwendung finden müssen.
Die Anforderungen bei der Auswahl der passenden Basissoftware für die Überwachung- und Steuerungsebene (SCADA) sind im Tunnelbereich sehr hoch. Zum einen muss eine entsprechende Verfügbarkeit der Überwachungsfunktion gegeben sein, und zusätzlich ist eine hohe Skalierbarkeit für den geplanten Ausbau der Tunnellandschaft erforderlich. Letztlich muss das SCADA-System auch eine entsprechende Flexibilität in der Entwicklung und Programmierung der Oberflächen bieten, um eine moderne, sicher bedienbare Anwendung bereitstellen zu können. All diese Punkte konnten durch das Siemens-Produkt WinCC OA (Open Architecture) abgedeckt werden. Insbesondere die durchgängige Redundanzfähigkeit, die hohe Skalierbarkeit und auch die guten Erfahrungen aus anderen Tunnelprojekten mit diesem System, waren für Hessen Mobil die Grundlagen für die Auswahl dieses SCADA-Systems.
Auf Basis der festgelegten Datentypen konnte nun eine tunnelübergreifende Oberfläche entworfen und realisiert werden. Auch hier wurde auf die Erfahrung von Hessen Mobil und der Berater aus vorherigen Tunnelprojekten, aber auch aus anderen Softwareprojekten zurückgegriffen. Insbesondere die intuitive Bedienung und der sichere Umgang im Störfall waren wichtige Aspekte, die bei der Planung berücksichtigt wurden. Ein farblich zurückhaltender Rahmen bildet die Basis für die Darstellung von Tunnel, aktuellen Störungen und der Navigation in den Tunneln.
Um in Hessen eine tunnelübergreifende einheitliche Darstellung von Gewerken zu erreichen, wurden für alle bekannten Datentypen entsprechende Oberflächenobjekte entworfen und realisiert. Selbst für die Erstellung der Hintergrundbilder eines Tunnels wurden wiederverwendbare Vorlagen erstellt. Am Ende entstand ein Werkzeugkasten, mit dessen Hilfe weitere Tunnel mit wenig Aufwand in das Gesamtsystem integriert werden können.
OA-Teil als auch in der SPS geführt. Für Hessen Mobil hat sich HELiS als optimale Basis und als Standard für die Integration weiterer Tunnel in das zentrale Leitsystem herausgestellt und hat auch die Aufmerksamkeit des Bundesministeriums für Verkehr und Infrastruktur (BMVI) gefunden.
Neben der tunnelübergreifend gleichen Darstellung an der Oberfläche wurde auch das Verhalten der einzelnen Objekte standardisiert. Auch hier gilt tunnelübergreifend: Gleiches Aussehen – Gleiches Verhalten. Diese Vereinheitlichung wirkt sich vor allem auf die Sicherheit bei der Bedienung und Steuerung des Tunnels aus. Das Verhalten eines Gewerks wird vorhersagbar, und es sind im ersten Moment keine Kenntnisse über die tunnelspezifische Umsetzung beim Operator erforderlich.
Da das Verhalten eines Tunnels im SPS-Programm abgebildet wird, war hier einerseits die klare Schnittstelle über die Datentypen hilfreich. Anderseits war aber auch die Kommunikation zwischen Oberflächenentwickler und SPS-Programmierer für eine detaillierte Abstimmung unverzichtbar.
Die Entkopplung der Oberflächen von der Steuerungsebene durch die Verwendung der Datentypen ermöglichte auch das intensive Testen der Oberflächen im Vorfeld der Inbetriebnahme. Zu diesem Zweck wurden durch die veoTEC über 1000 Testfälle entworfen, die im Laufe der Entwicklung zum Teil mehrfach durchlaufen und bewertet wurden. Neben den Testfällen wurden auch entwicklungsbegleitende Codereviews im WinCC OA-Softwareteil durchgeführt die ebenfalls zur hohen Qualität des Endergebnisses beigetragen haben. Ein von Hessen Mobil etablierter Freigabeprozess stellt dabei sicher, dass nur Projektversionen ausgerollt werden, die diesen Qualitätsanforderungen entsprechen.
Inzwischen wurden von Hessen Mobil zwei weitere, neue Autobahntunnel (A66 Neuhof, A44 Schulberg) auf Basis des entwickelten Konzepts in HELiS integriert und zusammen mit veoTEC erfolgreich in den Regelbetrieb überführt.
Projektüberblick:
Hessen Mobil Straßen- und Verkehrsmanagement
Der erste Einsatz des neuen Konzeptes der Tunnelleitzentrale erfolgte im Tunnel Schürzeberg in Nordhessen. Hier zeigten sich schnell die Vorteile der klaren Oberflächen und der einheitlichen Bedienung, die einen geringer Schulungsaufwand und eine hohe Akzeptanz bei den Operatoren zur Folge hatten. Auffallend war auch die geringe Fehlerquote in der Software, im Vergleich zu bisherigen Tunnelprojekten. Der erhöhte Testaufwand im Vorfeld hatte zu einer sehr stabilen Software, sowohl im WinCC.
Projektstart 2012
Projektdauer ca. 10 Monate
Aufwand ca. 2 Mannjahre
Beratungs-, Konzeptions- und Entwicklungsleistung bei der Planung und Realisierung einer zentralen Tunnelleitsoftware für Straßentunnel im Bundesland Hessen.